„Innovate or Die“ das Neueste aus dem digitalen Hot Spot Silicon Valley

Am 18. September 2015 war ich am 5. Swiss Food Tech Day eingeladen um über meine Juni Reise mit dem Agro Food Innovation Park nach Silicon Valley zu berichten. Es hat mich sehr gefreut, weil diese Reise mir einen ganz anderen Eindruck von Silicon Valley vermittelt hat. Insbesondere die rasch wachsende Bedeutung des „Agro Food“ oder „Ag Tech Sectors“ in der Bay Area war beeindruckend.

Wir hatten das Silicon Valley als Ziel der Unternehmerreise ausgewählt, weil wir beim Agro Food Innovation Park die „Digitalisierung des Agro Food Sektors“ als eines der wichtigsten Trendfelder bestimmt hatten. Die Digitalisierung ist ein mächtiger Treiber, auch in der Agro Food Branche. Ich bin davon überzeugt, dass die gesamte Branche in den nächsten Jahren komplett transformiert wird, d.h. herkömmliche Strukturen verlieren an Bedeutung und neue bislang unbekannte „Spieler“ kommen in die Branche: Start-ups revolutionieren die Art und Weise, wie Nahrungsmittel produziert, verkauft und vertrieben und sogar wie sie konsumiert werden. Konsumenten können ihre Bedürfnisse direkter und besser zum Ausdruck zu bringen. Die Hürden für einen Markteintritt durch branchenfremde – und auch kleine Start-ups – ist so tief wie noch nie zuvor, z.B. Uber, AirBnB, usw. Die bestehenden Teilnehmer der Wertschöpfungskette im Agro Food Bereich kommen dadurch zunehmend unter Zugzwang, und zwar alle: Landwirte, Produzenten und Händler. Aus meiner Sicht ist ein rasches Umdenken notwendig, bevor es zu spät ist. Und diese Welle wird uns nicht in 30 Jahren erreichen, sondern viel eher vielleicht bereits in 30 Monaten.

 

Wie viel wurde global in der Agro Food Sektor investiert?

Im 1. Halbjahr 2015 wurden weltweit $2.06 Mia in dem Agro Food Sektor investiert, soviel wie noch nie zuvor. Nach läppischen $500 Mio. in 2012 stieg das Volumen im 2013 schon auf $900 Mio. an. Danach ging es richtig los: $ 2.40 Mia im Jahr 2014 und nochmals fast eine Verdoppelung in 2015.

Von den $2.06 Mia im ersten Halbjahr sind $1.03 Mia in die USA gegangen, davon 75% in das Silicon Valley. Weitere Länder in denen kräftig in Agro Food investiert wurde, sind Israel mit $510 Mio. und China mit $155 Mio. Die Schweiz ist mit 22 Mio. im Gleichschritt mit Frankreich und Deutschland.

Natürlich kann man sagen, dass wir pro Kopf sehr gut abschneiden, aber ist das nicht Augenwischerei? Wir leben in einem Land mit weltweit den höchsten Löhnen, der tiefsten Arbeitslosen-Rate und der höchsten Komfortrate. Warum sollen wir Schweizer uns sputen, um schnelle Innovationen wie im Silicon Valley zu machen? Satte Löwen jagen nicht…

 

Und wer sind die Gewinner im ersten Halbjahr 2015?

Wassertechnologie ist klar der grösste Gewinner, insbesondere durch die bereits seit 4 Jahren andauernde Trockenheit in Kalifornien. Die Agro Food Branche in Kalifornien ist ein $40 Mia Business und daher von grosser Bedeutung.

Auch „Precision Agriculture“ mit Drohnen, Entscheidungshilfen und smart Equipment bleiben nach wie vor sehr attraktiv. Insbesondere die branchenfremden Investoren, die vorher Ihr Glück im Cleantech Bereich gesucht haben, stürzen sich jetzt auf Precision Agriculture. Es geht hier vermehrt um Software und Big Data.

Ausserdem nehmen – wie auch in der Schweiz erkennbar – Investitionen in nachhaltige Proteine wie Insekten, Fleisch-und Käseersatz auf pflanzlicher Basis rapid zu. In den USA nur viel schneller als hier.

Die wichtigste Firmen, die wir auf unsere Reise entdeckt haben waren Hampton Creek Foods mit „Just Mayo“ als Ei-Ersatz, Impossible Foods mit pflanzlichem Fleisch- und Käseersatz, Soylent als Mahlzeitersatz, Modern Meadow mit Fleisch aus dem 3D Drucker und Beyond Meat ebenfalls mit einem pflanzlichen Fleisch- und Käseersatz.

Damit wir auch die Grössenordnung verstehen, wie in diese Firmen investiert wird, hier ein Beispiel: In Impossible Foods wurden nach $75 Mio. in 2014 bereits im ersten Halbjahr nochmal $49 Mio. investiert. Soylent hat im 1. Halbjahr so viel Gelder bekommen wie der gesamte Schweizer Markt. Und es geht so weiter, weil der Agro Food Sektor gerade von den Investoren erst entdeckt wird. Die Gesamtsumme von $4 Mia ist für die gesamte Branche ist nach wie vor sehr gering im Vergleich zu anderen Branchen. Aber wie viel können wir in der Schweiz oder sogar Europa von dieser Entwicklung profitieren?

 

Angsthasen

Die Risikobereitschaft in der Schweiz ist im Vergleich zu den USA extrem gering. Wir üben uns viel mehr in Misserfolgsvermeidung. Wir haben Horror vor Ausspähung und Cyberkriminalität und Panik vor gentechnisch veränderten Nahrungsmitteln. Dies erschwert den Firmen den Zugang zu neuen Technologien, die vielleicht bereits in wenigen Jahren weltweit eine dominierende Rolle spielen werden.

Aber es gibt Hoffnung, die ersten Ansätze für eine Veränderung in der Schweiz sind bereits da. Die Generation Y und insbesondere die heranwachsende Generation Z sind viel risikobereiter, stellen bestehende Systeme und Vorgehensweisen in Frage; wagen sich viel schneller mit einem neuen Produkt auf den Markt, auch wenn es noch nicht ganz fertig ist. Und wenn Investoren, und auch unser Bildungssystem mitziehen, kann die Schweiz, als eines der bislang innovativsten Länder dieser Welt, auch in Zukunft zu einer „Brutstätte für Jungunternehmen“ werden. Wir müssen es nur wirklich wollen. Oder haben wir in Wahrheit überhaupt eine Wahl? Hier stimme ich Brian Solis zu, der letzte Woche auf einer Konferenz sagte: „If you don’t disrupt yourself, somebody else will do it for you“ Innovate or die!