Alimenta 12/2015: Ein Agro Food Innovation Park in Frauenfeld soll Jungunternehmen und etablierten Firmen eine Plattform bieten, um neue Lösungen in der Land-und Ernährungswirtschaft zu kreieren.

MANUEL FISCHER. Am Mittwoch, 27. Mai lud Meiert J. Grootes, der Leiter des Standort Projekts «Agro Food Innovation Park» des Kantons Thurgau, Interessenten aus Land- und Ernährungswirtschaft zum Innovationsseminar in die Kartause Ittingen. Ein Innovationspark soll als Begegnungs- und Arbeitszentrum für Startup-Unternehmen dienen, um deren Produkt- und Serviceideen zur Marktreife zu bringen.

Das Projekt hat eine Vorgeschichte. Im März letzten Jahres hatte sich der Kanton Thurgau zusammen mit der Stadt Frauenfeld als einer der vier Standorte für den Nationalen Innovationspark beworben. Die zuständige Konferenz der kantonalen Volkswirtschaftsdirektoren berücksichtigte das Dossier aus dem Thurgau jedoch nicht. Bemängelt wurde die fehlende geografische und institutionelle Anbindung an eine Hochschule oder an eine Forschungseinrichtung. Die Steuerungsgruppe, bestehend aus zwei Regierungsräten und dem Stadtpräsidenten von Frauenfeld, beschloss in der Folge, eine Projektgruppe zu beauftragen, ein Konzept zum Profil und zur Ausrichtung des Innovationsparks zu erarbeiten. Auf der Grundlage eines Berichts, der Ende 2015 vorliegen wird, soll über die Weiterverfolgung des Projekts entschieden werden. Die Kosten der Initialphase belaufen sich auf 275 000 Franken.

Schwarmintelligenz nutzen

Als übergreifende Herausforderung wurde mehrmals am Seminar die «digitale Transformation» aller Lebensbereiche erwähnt; der Agro-Food-Sektor werde hier nicht ausgenommen. In einem ersten Impulsreferat schilderte Bastian Flury, Projektleiter des an der ETH Zürich angesiedelten World Food System Center, die Notwendigkeit interdisziplinären Arbeitens bei der Lösung der langfristigen Ernährungssicherheit. Am neuen Lebensmittelforschungszentrum sind weitere ETH-Institute angegliedert, so das Departement für Umweltsystemwissenschaften oder die Eawag in Dübendorf (Wasserforschung), um nur einige zu nennen. Lutz Mehlhorn, ehemaliger Manager beim Konsumgüterhersteller Henkel (Waschmittel, Schönheitspflege, Klebeartikel) und Isabelle Ziegler, Business Coach, führten die Seminarteilnehmer in den «holistischen (ganzheitlichen) Innovationsansatz» ein. Gesellschaftliche Megatrends müssten beim Suchprozess nach Innovationen abgetastet, unterschiedliche Kompetenzen und Motive zueinander finden, bis eine Geschäftsidee klare Konturen erhält. Gemäss Mehlhorn biete sich mit einem Innovationspark die Chance, die Schwarmintelligenz der am Standort kreativ Forschenden zu nutzen. Ein Standortleiter müsste, so seine spontane Stellenbeschreibung, hervorragend in der Branche und Region vernetzt sein, um Junge mit sprühenden Ideen mit wohlwollenden Wagniskapitalisten zusammen zu bringen.

Mehlhorn illustrierte am Beispiel der Gründung eines Wäschesalons mit integrierter Cafeteria, wie innovative Geschäftsmodelle auch unter den Fittichen von Konzernen (Henkel — mit der Marke Persil — und Bosch) in so genannten Inkubatoren ausgebrütet werden können. Isabelle Ziegler liess die vielfältigen Möglichkeiten komplett neuer Anbaulösungen im städtischen Umfeld aufblitzen, so etwa vertikale Gartenkulturen an Gebäudefassaden.

Von Insektenriegel bis Bio-Gin

In der Kartause Ittingen stellten auch junge Praktiker ihre Projekte vor. Peter Fröhlich präsentierte seine Smartphone-App «agri circle». Dank der Zusammenführung zahlreicher Daten aus der Meteorologie und der Bodenbeschaffenheit liefert die App Land-wirten eine Entscheidungshilfe für die Feldbearbeitung. Zuspruch hat die App bereits bei Landwirten in Norddeutschland gefunden, die grosse Flächen bewirtschaften. Meinrad Koch präsentierte einen an der Zürcher Hochschule für angewandte Wissen-schaften (ZHAW) entwickelter Proteinriegel, der aus Insekten gewonnen wird. Koch und seine Mitstreiter sehen sich als soziale Unternehmer, die auch eine Kooperation mit einem international tätigen Hilfswerk ins Auge fassen. Paul Wreford von Aquaponic Gardens stellte seine Pilotanlage eines geschlossenen Kreislaufs vor, indem Wasser für die Fischzucht als auch für den Gemüse-bau genutzt werden kann. Christiane Brugger, ausgebildete Sensorikerin, destilliert neuartige Gin-Sorten und verwendet dabei Kräuter aus biologischem Anbau. Über Crowd Funding (Schwarmfinanzierung über das Internet) kam sie zu Startkapital in der Höhe von über 30 000 Franken. mf

 

Meinrad Koch von der ZHAW © Manuel Fischer, Spreitenbach

Meinrad Koch von der ZHAW © Manuel Fischer, Spreitenbach

Meiert J. Grootes © Manuel Fischer, Spreitenbach

Meiert J. Grootes © Manuel Fischer, Spreitenbach

Christine Brugger, © Manuel Fischer, Spreitenbach

Christine Brugger, © Manuel Fischer, Spreitenbach

 

Kontakt redaktion@alimentaonline.ch und Alimenta Online

Lesen Sie auch das Interview, das Alimenta mit Meiert J. Grootes anlässlich der Innovationsveranstaltung führte hier.