Im Thurgau soll ein Innovationspark entstehen – losgelöst von den nationalen Projekten. Die Verantwortlichen wollen sich auf Innovationen in der Land- und Ernährungswirtschaft konzentrieren. Was der Park aber genau ist, ist schwierig zu erklären.

Der Thurgauer Innovationspark lernt laufen

MICHELE VATERLAUS in der Thurgauer Zeitung am Sonntag, 6. Dezember 2015

FRAUENFELD. Drohnen fliegen über Getreidefeldern, satellitengesteuerte Mähdrescher fahren auf dem Acker, und von der Milchkuh kommt eine Handynachricht: Das ist die Zukunft der Land- und Ernährungswirtschaft. Weil sich auch diese Branche der Digitalisierung nicht entziehen kann, sind Innovationen gefragt. Und weil im Kanton Thurgau jede sechste Firma im Bereich der Land- oder Ernährungswirtschaft tätig ist, ist er der richtige Ort, um einen entsprechenden Innovationspark zu realisieren. So die Überzeugung der Thurgauer Regierung. In den kommenden Jahren soll deshalb in Frauenfeld der Agro Food Innovation Park (Afip) realisiert werden. Der Grosse Rat hat am Mittwoch einen Kredit von 2,55 Millionen Franken für eine dreijährige Pilotphase gesprochen. Nicht ohne kritische Stimmen. «Die Forscher müssen erst erforschen, was sie forschen wollen», war ein Votum. Das ist wohl so: Der Afip ist zwar aus den Windeln herausgewachsen, steckt aber noch in den Kinderschuhen.

Anstoss kam von der Regierung

Im vergangenen Jahr hatten sich der Kanton Thurgau und die Stadt Frauenfeld als Standort für den Nationalen Innovationspark beworben. Doch sie blitzten ab. Dem Bund fehlten an diesem Projekt die Internationalität und die Anbindung an eine Universität. Macht nichts, sagten sich die Thurgauer und machten auf eigene Faust weiter. Schliesslich können sie speditiv vorwärtsmachen und auch mit Partnern jenseits der Schweizer Grenze zusammenarbeiten. Die Regierung setzte also eine Projektgruppe ein. Die Geschäftsleitung übernahm Meiert J. Grootes. Er ist CEO der Matzinger Veripan, einer Ideenschmiede für die nationale und internationale Lebensmittelindustrie.

Grootes’ Aufgabe ist es, aus der Idee Innovationspark ein Projekt mit Hand und Fuss zu machen. Der Afip soll nämlich Forschungsinstitute, Start-up-Unternehmen, aber auch Produktionsfirmen an einem Standort vereinigen. Diese sollen sich mit der Branche im Thurgau vernetzen. Und daraus soll Innovation entstehen.

Der Begriff Innovation wiederum ist schwierig zu erklären. Grootes hat es trotzdem in einem Satz versucht: «Innovation ist alles, was neu ist und erfolgreich an den Markt kommt.» Als Beispiel nennt er das iPhone. Eine Innovation aus dem Jahr 2007, die erstmals Computer und Telefon kombinierte. Statt auf Telefonie und Computer setzt der Afip auf die Landwirtschaft. In der Pilotphase des Innovationsparks will man sich auf Trendfelder konzentrieren, wie beispielsweise auf die Digitalisierung der Landwirt­schaft. Aber auch auf Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelverschwendung. Vorerst können aber Wirtschaft und Wissenschaft noch nicht wie gewünscht an einen Tisch gebracht werden. Das Problem ist, dass es bisher kein Gebäude gibt, in dem ein solcher Tisch stehen könnte. Die Geschäftsstelle ist derzeit in ei­nem Gebäude am Bahnhof unter­gebracht. Von dort aus soll sich der Afip später weiterentwickeln. Unklar ist auch noch, wer alles an diesem Tisch sitzen wird. Grootes versichert, dass er bereits Zusagen habe.

Zum einen bekundet Agroscope Tänikon grosses Interesse. Einen Partner hat er auch im Silicon Valley gefunden. Zwei ETH-Professoren haben kürzlich ein Schreiben an den Stadtpräsidenten von Frauenfeld gerichtet, in dem sie die Absicht der ETH bekunden, im Park ein sogenanntes ETH-Studio einzurichten. Eine definitive Zusage hat Grootes anscheinend von einer Holding mit Schweizer Sitz. Sie hat eine halbe Million Franken zugesichert. Daneben gibt es wohlwollende Rückmeldungen von grösseren und kleineren Thurgauer Betrieben.

Es braucht weitere 1,2 Millionen

Auch nachdem der Grosse Rat die 2,55 Millionen Franken für die Pilotphase gesprochen hat, ist die Finanzierung des Afip noch nicht gesichert. Zusätzlich braucht es Geld von der Stadt Frauenfeld. Das Volk entscheidet im Februar über 1,2 Millionen Franken. Die insgesamt knapp vier Millionen braucht die Projektgruppe unter anderem, um die Geschäftsstelle zu betreiben, Öffentlichkeitsarbeit zu machen und das Netzwerk aufzubauen. Nach den drei Jahren Pilotphase soll der Park aus den Kinderschuhen herausgewachsen sein und auf eigenen Beinen stehen.

Artikel als pdf OaSo_061215